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Das Große im Kleinen. Zu Besuch in Schwaz

Pia Littmann

 

Schwaz ist eine schöne Stadt in den Tiroler Alpen, gelegen an den aquamarinblauen Wassern des Inn. Die Klangspuren, ein jährliches Festival für zeitgenössische Kunst, das Outreach-Festival, ein Jazzevent mit Sinn für Experimente und der legendäre Jazzclub Eremitage haben dort ihren Sitz. Wenn die Schwazer von Letzterem erzählen, geraten sie ins Schwärmen: Musiker wie Miles Davis oder Chick Corea spielten dort. Während beim Outreach 2017 ein Violinenkonzert erklang, welches Schalten und Walten des Donald Trump interpretierte: Trump A Theatrical Concerto“.

 

Man staunt nicht schlecht. Schon der Bahnhof ist ein Kulturprojekt (http://www.schranken-los.at/), an dem Reisende viel eher einen guten Plausch als schlechte Laune haben, weil sie den Zug verpassen. Für eine Stadt mit rund 13.600 Einwohnern, die zwischen München, Innsbruck und Salzburg liegt, ist das ein mehr als ordentliches Angebot – mir kam es wie ein kulturelles Leuchtfeuer inmitten der Alpen vor.

 

links: Blick vom Schwazer Bahnhof; rechts: Blick von der Bahnhofsstraße; Fotos: PL

 

Und dann ist da noch die Galerie der Stadt Schwaz, auch sie ein Aushängeschild und auch sie mit einem besonderen Fokus auf das Zeitgenössische. Legt man es darauf an, führt der Weg zur Galerie auch am Fuggerhaus vorbei. Von dort aus führte der Kaufmann und Bankier Anton Fugger (1493–1560) die wirtschaftlichen Geschicke Europas – die sprudelnden Silber- und Kupferminen der Stadt im Rücken. Das Fugger-Imperium hatte er von seinem Onkel Jacob Fugger geerbt, genannt „der Reiche,“ der sich in einigen herausragenden Porträts verewigen ließ.

 

Jacob Fugger, Hans Burgkmair und Jost de Negker, Holzschnitt, gedruckt von zwei Platten, von Hand koloriert; © Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Foto: Jörg P. Anders

 

Gedanklich war ich also schon ganz auf gute Bilder eingestellt, als ich die Galerie im Palais Enzensberg betrat. Wobei … was heißt Bilder? Eine Galerie, die sich ausdrücklich als Experimentalraum versteht, lässt Raumgreifendes erwarten. Vor allem, wenn die Ausstellung mit Werken der dänischen Künstlerin Saskia Te Nicklin (*1979, Kopenhagen) den Untertitel „the garden, some leftovers, and us swaying“ (der Garten, einige Überbleibsel und wir, schaukelnd) trägt (http://www.galeriederstadtschwaz.at/). In so eine Präsentation könnte man sich viel Grün, herrenloses Gartengeschirr und von der Decke baumelnde Schaukeln hineindenken.

 

Das wäre natürlich zu einfach. Wobei die im Titel genannten Bestandteile inklusive der Schaukelei ziemlich genauso vorkommen – bloß eben nicht in der Konstellation „Gartenfest“. Schon eher kokettieren Nicklins Installationen mit der aktuellen Jahreszeit, sehen sie doch auf den ersten Blick wie glasierte Zuckerwatte aus, die auf Spiegeln klebt.

 

Saskia Te Nicklin, Installationsansicht "the garden, some leftovers and us swaying", Galerie Schwaz; Foto: Verena Nagel

 

Die blitzenden Flächen stellen sich als verspiegelte Aluminiumplatten heraus, die den Besucher zumal im Eingangsbereich in der Tat ins Schleudern bringen können. Statt vereistem Zucker ist darauf kolorierter Holzleim angebracht. Und der kann auch als schwelende schwarze Masse in Erscheinung treten, wie auf der Collage mit der kauernden Gestalt, die eine gehörige Portion Verzweiflung zur Schau trägt. Sie wird von einem großen Brummer mit gelben Punktaugen und schräg sich ihr zuneigenden Blumen bedrängt, die zwar wie von Kinderhand gestaltet scheinen, aber eine deftige Sexualität vermitteln.

 

Die rechte Tafel zeigt ein seltsames Wesen mit kindlich geflochtenen Zöpfen, die jedoch eher das Gesicht einer Greisin als das eines kleinen Mädchens hat. Sie sitzt auf ihrer karierten Decke, drückt die Puppe fest an die Brust und über ihr schweben kleine Schweinchen, Füchse und so weiter. Aktivster Protagonist dieser Szenen (oder sollte man sagen: psychologischen Schlüsselbilder?) ist der emporstrebende große Mann mit seinem Ball auf der linken Seite, der von von wie auch immer gesonnenen Tieren unbehelligt bleibt. Farbiger, doch nicht weniger hintersinnig geht es in den separat gehängten Zeichnungen zur Sache, die überraschende Ausschnitte verdrehter rosa Leiber auf einer Art, ja … Blumenwiese zeigen.

 

Saskia Te Nicklin, Zeichnung aus "the garden, some leftovers and us swaying"; Foto: Verena Nagel

 

Interessant zu wissen, dass sich die Künstlerin unter anderem mit der amerikanischen Schriftstellerin Annie Dillard auseinandersetzt, auf die sie auch im Titel anspielt. Dillard erhielt 1975 den Pulitzer Preis für ihren Roman „Pilger am Tinker Creek“ (1974), in dem die junge Frau die Vielfalt der Natur – gerade auch in ihren sonderbaren, aggressiven oder sogar erschreckenden Ausprägungen – beschreibt. Das größere und große Ganze im Kleinen verstehen, darum ging es letztlich bei Dillard. Dass sich das auch auf Schwaz beziehen ließe, fand ich nach diesem ersten Eindruck ganz bestimmt ...

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Sylvia Volkmann (Donnerstag, 01 März 2018 12:27)

    Liebe Pia, interessante Bilder und eine tolle Bildbeschreibung.
    Danke dafür �

  • #2

    Pia (Donnerstag, 01 März 2018 18:44)

    Aber sehr gerne doch! Liebe Grüße **

  • #3

    Monika Ligatt (Freitag, 02 März 2018 13:03)

    Kompliment, Die Damen!

  • #4

    ArtTwo (Samstag, 03 März 2018 08:00)

    Vielen Dank �