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Stuttgarter „Rundumschlag“ macht Lust auf’s Plakat

 

Iris Haist und Pia Littmann

 

Am Freitag, den 17. November wurde die Ausstellung Rundumschlag im ehemaligen Projektraum Lotte in Stuttgart eröffnet. Insgesamt 150 Plakate von 50 Grafikern und Grafikstudios wurden ausgewählt. Der Clou: Die Ausstellung thematisiert den öffentlichen Raum im öffentlichen Raum. Initiiert wurde die Präsentation von Studenten und Absolventen der Fachrichtung Kommunikationsdesign der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, die dem Verein Stadtlücken e.V. angehören. Dem Begleitheft zufolge ist es ihr – durchaus längerfristig angelegtes – Ziel „eine Plattform für Plakatkultur und grafisches Bewusstsein in Stuttgart“ zu schaffen.

 

Dieses Anliegen drückt sich auch in der Präsentation der Ausstellung aus: Die Plakate – einige Originale sind darunter, andere sind autorisierte Nachdrucke – werden sowohl in den Räumen des kultigen Projektraums als auch am Bauzaun der naheliegenden Stuttgart 21 Baustelle an der Willy-Brandt-Straße gezeigt. Durch Strahler beleuchtet entsteht daraus eine Galeriemeile direkt an der Straße. Die Plakate erfüllen damit genau das, wofür sie ursprünglich geschaffen wurden: Sie gestalteten den öffentlichen Stadtraum. Die Ausstellung Rundumschlag ist ein gelungener Auftakt, findet ArtTwo.

 

Installationsansicht von "Rundumschlag" im Projektraum an der Willy-Brandt-Straße

 

Iris: Ich fand den Abend wirklich super. Es ist einfach mal etwas anderes. Vor allem gefiel mir die formal reduzierte Ästhetik. Die Plakate wurden nicht wie in einem Museum oder einem Verkaufsraum klassisch in eine szenografisch funktionierende Komposition gezwängt, sondern sehr frei gezeigt. Der Besucher – oder eben auch jeder zufällig dort entlang gehende Passant – konnte mit den Exponaten in Kontakt treten. Welchen Eindruck hattest du von der Ausstellung?

 

Pia: Also zunächst einmal mochte ich diese Wind-und-Wetter-Galerie sehr. Ich bin ja erst einmal bis zur Hälfte so daran vorbei gelaufen (kam ja aus dieser Richtung). Dachte mir dann, Mensch, hier sind aber ganz schön viele und ganz schön gute Plakate aufgehängt und dann auch noch so fein beleuchtet. Aber so richtig fiel der Groschen erst später, als ich im „eigentlichen“ Projektraum war und sich die Zusammenhänge klärten …

 

 

Installationsansicht von "Rundumschlag" im Außenbereich an der Willy-Brandt-Straße

 

Iris: Ich kam aus der entgegengesetzten Richtung und habe erst den Projektraum gesehen, das Programmheft studiert und bin erst dann mit dir zur Outdoor-Galerie weiter. Also genau andersherum. Was gefiel dir an dem Projekt am besten?

 

Pia: Die Outdoor-Galerie! Ich meine, es war wirklich dieser relativ schmale, niedrige Fußgängerweg, an dem auf sich auf der einen Seite die Autos drängelten, hupten, weiterfuhren und auf der anderen Seite die Galerie der Plakate prangte.  Dann die Leute, die teilweise Blatt für Blatt studierten, die anderen – quasi die „Nicht-Eingeweihten“ –, die ohne aufzublicken daran vorbeimarschierten und diejenigen, die plötzlich merkten, dass da irgendetwas los ist und neugierig wurden …

 

Iris: Pia, sag mal, hattest du Favoriten unter den Plakaten? Falls ja, welche und warum?

 

Pia: Irgendwie war ich gerade für die ästhetisch gar nicht so besonders aufregenden Weckruf-Plakate empfänglich. Da gab es ja diese Reihe von Bildern, die groß betitelt waren mit Der Bauherr", Der Architekt, Der Benutzer oder Der Humanwissenschaftler. Darunter kam eine kurze Beschreibung ihrer Aufgaben und der Hindernisse bei deren Bewältigung. Zum Beispiel so: Der Humanwissenschaftler [...] ist der Rufer in der Wüste: Was er z.B. für Kunder und soziale Randgruppen fordert, kostet dem einen zuviel, ist für den anderen unrealistisch, wird hier nicht gewünscht, verstößt dort gegen eine Bestimmung. Am Ende kam dann stets die Frage: Muss das so bleiben? Im Programmheft hab' ich dann gelesen, dass die Plakate 1971 im Auftrag der Bundesarchitektenkammer entstanden sind und von Gunter Rambow gestaltet wurden ...

 

 

Gunter Rambow, "Architekt", 1971 und And Atelier, "Habitar Portugal 12-14", 2016/17


Iris: Stimmt, vor diesen Plakaten standen wir eine Weile, haben diskutiert und uns überlegt, wie der Text wohl für uns lauten könnte: „Der Kunsthistoriker“ … Mich hat das Plakat „Utopie Dynamit“ von Gunter Rambow aus dem Jahr 1976 besonders beeindruckt. Erinnerst du dich? Das Plakat mit dem explodierenden Hochhaus.

 

Gunter Rambow, "Utopie Dynamit", 1976

 

Pia: Ja, das war auch so richtig schön bouum! (Irgendwie schien dieser Mann seinem Namen alle Ehre zu machen). Interessanterweise ebenfalls eines von den schon etwas älteren, besonders „plakativen Plakaten“ …

 

Iris: Zuerst einmal ist schon das Motiv alleine so stark, dass man erst einmal betroffen davor steht. Dazu kommen die ironischen Kommentare, die anklagen. Überschrieben wird das Ganze mit „Der neue Egoist“ – tatsächlich wurde das Plakat damals nach dem Brand des damals noch im Rohbau befindlichen Selmi-Hauses (benannt nach seinem persischen Bauherrn Ali Selmi) in Frankfurt – der Grafiker nennt die Stadt „Bankfurt“ – entworfen.

 

Ganz persönlich gefielen mir auch die Plakate zur Musikveranstaltungsreihe „Lieber Osten“, entworfen von Felix Bareis 2016, sehr gut. Er gestaltete die Schrift wie Keith Haring seine Figuren, in einem comichaft-bewegten und verspielten Stil. Zudem habe ich mal im Stuttgarter Osten gewohnt, es weckt also auch nostalgische Erinnerungen. Was kam bei dir auf Platz 2?

 

Felix Bareis, "Lieber Osten", 2016

 

Pia: Oh einiges. „Adaptable City“ fand ich interessant, mit den Buchstaben des Schriftzugs, die sich teilweise von der darunter liegenden Karte zu lösen scheinen – oder gegen sie anarbeiten? Oder das Plakat zur „Deutsche Werkbund Ausstellung Venedig“, bei dem die Informationen als schmaler Rahmen um die völlig leere Bildmitte gelegt wurden. Eher gewöhnungsbedürftig, aber in seinem ästhetischen Stilfeuerwerk irgendwie auch reizvoll fand ich das Bild „Sublime Eroding“ zu einer Ausstellung im Amsterdamer Kunstraum W139. Ich weiß, Du gucktest da sehr skeptisch ...

 

 

Pia und Iris diskutieren vor dem Plakat "Sublime Eroding" von Studio Pandan, 2015

 

 

**Unser Fazit: Klasse gemacht! Die Ausstellung hat Spaß bereitet, uns zum Nachdenken angeregt und zu Gesprächen über zukünftige Projekte verführt. Wir freuen uns auf weitere Projekte des Teams und von Stadtlücken e.V. in Stuttgart.

 

alle Fotos © Christian Schmid

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